Die große Chance?

Demokratie?

Es fällt schwer einen seriösen Text über die Wiener Volksbefragung zu schreiben. Das liegt nicht nur an dem wie sie wohl zustande kam – als Abwehr gegen die Anti-Parkpickerl-Partei. Jene die damit vertraut sind wie man mit Fragen Antworten steuert oder eben nicht (doch zumeist das Ziel in der empirischen Sozialforschung) sind irritiert bis amüsiert – wohl auch darüber darüber, dass wohl nicht nur unabsichtlich die Fragen so gestellt wurde, das sie das Ergebnis bringen das von der Stadtregierung erwünscht ist. Verfassungrichter Heinz Mayer sieht die Wiener Volksbefragung gar „Nahe am Missbrauch – und das nicht nur weil es möglich scheint auch nach der Verkündigung eines Zwischenergebnisses noch taktisch abzustimmen. Personen denen es ernst ist mit der direkten Demokratie halten damit auch nichts von der Abstimmung.

Über den Nutzen von direkter Demokratie kann man ja geteilter Meinung sein. So ist die Schweiz ein vergleichsweise konservatives Land – etwa ohne öffentliche Krankenversicherung. Viele Initiativen – wie vor kurzem eine zur Ausweitung des Jahresurlaubs – scheitern an der Einflussnahme der Wirtschaft auf die öffentliche Meinung. Direkte Demokratie ist in hohem Maße ein Spiel mit der Frage, wie Interessengruppen Einfluss ausüben können – vor allem auf die publizierten Meinungen, die Medien. Die Wiener SPÖ hat in der Vergangenheit selten behauptet sie sei für mehr direkte Demokratie, die Wiener Grünen jedoch laut und deutlich. Das macht diese Befragung „nahe am Missbrauch“ wohl eher zu einem Problem der Wiener Grünen.

Schließlich dient die Befragung wohl vorrangig der Abwehr der von der ÖVP initiierten Anti-Parkpickerl-Befragung. Diese Befragung wurde mit dem Argument abgelehnt weil die Wiener Stadtverfassung Abstimmungen über Gebühren verbietet. Für diese jetzige Befragung musste am Ende auch die Stadtverfassung geändert werden – aus Termingründen. Und die Frage die nun zum Parkpickerl enthalten ist fragt quasi nach einer Änderung der Stadtverfassung. Die Grünen lassen sich von der Anti-Parkpickerl Partei treiben und werden damit zur Parkpickerl-Partei – als könnte so etwas wichtiger sein als Fragen der Demokratie. Ob sie das lange überleben erscheint mir fraglich.

Spiele?

Schließlich gibt es bei dieser Befragung doch eine Frage, die klar offen formuliert ist: die nach einer Berwerbung um Olympische Spiele. Das erscheint Ersatunlich da scheinbar sowohl der Wiener Bürgermeister als auch die Vizebürgermeisterin dafür sind. Immerhin sind Teile der Grünen wohl dagegen – vielleicht ist die Frage deshalb überraschend neutral formuliert.

Vassilakou spricht bei Olympia jedenfalls von einer Chance für die Stadt. Die Frage ist nur wer ist denn diese Stadt? Wer soll da welche Chance haben? Für die Stadtregierung ist es sicherlich eine Chance – auf zahlreiche öffentlichkeitswirksame Maßnahmen etwa. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnston dürfte von Olympia klar profitert haben. Daneben gibt es noch ein paar Großbaustellen mit den wohl üblichen Profiteuren dies und jenseits der Auftragsvergaben. Und vielleicht gelingt es es der Stadt dafür Bundesmittel einzuwerben – eine Chance auf Kosten des Rests der Republik ein wenig Beton zu gießen also.

Eine Chance sind die Spiele sicher auch für alle die mit Immobilien handeln oder welche in Wien halten. Wohl noch stets haben Olympische Spiele zu brauchbaren Steigerungen bei den Miet- und Eigentumspreisen geführt. In London sind die Preise massiv gestiegen und Mieter wurden verdrängt, da sie die hohen Preise nicht mehr zahlen konnten.

Die Chancen für alle anderen sind dagegen eher schwer zu finden. Vassilakou verspricht „Wohnraum, Arbeitsflächen, Freizeiteinrichtungen, Kindergärten, Schulen“. Arbeitsplätze bringt die Olympiade sicher – in schlecht bezahlten Sektoren wie Hotellerie, Gastronomie, Sicherheitsfirmen, etc.. Für Arbeitsflächen bräuchte es Nachnutzungen – die meistens scheitern. Der Versuch in London das Pressezentrum als Bürofläche privat zu errichten war schon in Vorfeld gescheitert, momentan ist gerade mal ein zehntel der Fläche vermietet. Freizeiteinrichtungen entstehen zwangsläufig im Überfluss – so viele das sie oftmals verfallen, weil sie nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Das jemals für eine Olympiade eine Schule erreichtet wurde wäre mir neu.

Letztlich ist das, was damit bezweckt werden soll wohl Stadterweiterung oder Stadterneuerung. Vassilakou meint etwa man könne „städtebauliche Probleme“ damit beheben. Auch Dietmar Steiner träumt in einem etwas wirren Kommentar im Standard vom großen Wurf gegen die „Fürstentümer im Magistrat“.

Da ist er also wieder der gute alte große Plan – da ist sie dann die gute alte Gott-Vater-Planung. Schluss mit der sanften Stadterneuerung! Her mit dem großen Plan! Haben wir nicht schon genug solche Pläne gesehen? Das Großereignis dient der Legitimität einer Planung, die wir schon lange überwunden glaubten. Große Umbauten mit entsprechend großen sozialen wie ökologischen Folgen werden plötzlich legitim wenn es dem großen Ziel der Unterhaltung und der Vermarktung dient. Da ist dann wohl kaum mehr Platz für Beteiligung und Aushandlung – weder innerhalb der „Fürstentümer im Magistrat“ noch außerhalb.

Die Frage die sich mit stellt ist wie kann man so etwas ernsthaft erwägen, wenn man die Konsequenzen solcher Planungsmodelle seit nunmehr wohl mehr als vierzig Jahren beweint? Wenn man bei bisher jeder Olympiade gesehen haben könnte, dass sich da wohl immer die gleichen Muster wiederholen? Gerade bei Olympia ist die Liste an Beispielen des Scheiterns, der leeren Stadtkassen und der massiven negativen Konsequenzen für Umwelt und sozial Schwache wohl fast nicht Endenwollend. Wie kann man das noch vielmehr als Grüne Partei, die ja Ihre Gründung und damit vielleicht auch ihre Legitimität dem Widerstand gegen solche Formen der Politik und der Planung verdankt?

Am Ende muss man eben Konsequent bleiben in einer Argumentationsweise. Zuerst verleugnet man Konflikte in den Interessen – indem man wie Vassilakou von einer „Chance“ für „die Stadt“ spricht. Da sind wir dann alle gleich: Bürgermeister, Zinshausbesitzer und Mindestrentner. Und wenn das nicht so recht klappt dann macht man halt was unüberwindliches und natürliches daraus. Vassilakou macht Olympia schließlich zu einem Ereignis, das unabwendbar scheint: Großveranstaltungen gehören zu unserem Leben und zu unserer Zeit.

Das schmeckt für mich sehr nach neoliberaler Propaganda aus dem Klischee-Handbuch. Abschließend stellt sich dann aber die Frage, warum man über Großveranstaltungen überhaupt diskutiert oder gar noch abstimmt, wenn sie unvermeidbar sind weil sie „zu unserem Leben und zu unserer Zeit“ gehören.

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