Eine Replik auf Planungsstadträtin Maria Vassilakous Kommentar im Standard vom 11.3.2013
Seit Dienstag ist es also offiziell vom Tisch. Keine olympischen Spiele in Wien – zumindest vorerst. Bis die nächste Populismuswelle über uns drüber schwappt und wir vielleicht über Winterspiele abstimmen dürfen. Eines ist allerdings von der kurzen, jedoch intensiven Debatte der letzten Wochen geblieben: ein unangenehmer Beigeschmack in Bezug auf die Wiener Planungskultur. Denn es hat sich gezeigt: wenn wir über olympische Spiele diskutieren, diskutieren wir stets darüber, ob die Planung dafür gerüstet ist. Wieso aber war Olympia in Wien nur eine Frage der Machbarkeit? Wäre es nicht notwendiger gewesen, sich der grundlegenden Frage nach den stadtpolitischen Zielen eines solchen Großevents zu stellen?
Planungsstadträtin Maria Vassilakou, zuletzt brennende Befürworterin der Spiele, versucht sich in ihrem Standard-Kommentar der Frage nach den politischen und planerischen Zielen zu stellen. Was sie damit aber offenbart, ist der Besorgnis erregende Wunsch nach endgültiger Manifestierung einer Stadtpolitik, die sich in Wien schon seit den 90er Jahren breitzumachen begonnen hat.
Olympia als Instrument sozialer Stadtentwicklung?
Wien ist anders. Will man in planungspolitischen Debatten zur Stadt Gehör finden, kann man sich diesem Common Sense offenbar nicht entziehen. Und Vassilakou weiß offenbar sehr genau, was dieser Common Sense umfasst: von leistbarem Wohnraum über freien Bildungszugang, bis hin zur Donauinsel als Erholungsraum für alle – die Vizebürgermeisterin nennt sie alle, die sozialpolitischen Errungenschaften der Vergangenheit. Und schafft sich damit in ihrem Kommentar eine schwierige Ausgangsposition für eine Argumentation pro Olympia. Sind olympische Spiele in Wien also gleichbedeutend mit der Sicherung dieser Hinterlassenschaften und Fortführung dieser Form der sozial orientierten Stadtpolitik? Die Planungsstadträtin lässt diesen Kurzschluss zu und nennt uns zugleich zwei hinterfragenswerte Gründe.
Sport statt Planung!
Vassilakou führt die Fußballeuropameisterschaft 2008 als Vorzeigebeispiel gelungener Stadtentwicklung auf Basis eines Sportevents an. Die EURO 08 hätte nicht nur dem Ausbau öffentlicher Verkehrsinfrastruktur gedient, sondern auch eine – wenn auch temporäre – Verkehrsberuhigung der Wiener Innenstadt gebracht. Während der U-Bahnbau durchaus als positiver Entwicklungsaspekt interpretiert werden kann, wurden gleichzeitig in mehreren Städten massiv öffentliche Gelder in den Ausbau teurer Sportstätten investiert – noch dazu ohne klares Konzept für deren Nachnutzung. Die Einzäunung der Wiener Innenstadt und ihr Umbau zur Fanzone mit Konsumzwang als temporäre Privatisierung und Ausgrenzung par excellence wird dabei gerne ausgespart.
Olympia für eine konsequente Planung?
Von verkehrlichen Belangen bis hin zu ästhetischen Maßnahmen – die Vorbereitung olympischer Spiele in Wien wird als willkommener Impuls für eine sonst, so scheint es, offenbar gelähmte Planung in Wien erachtet. Doch blickt man auf Vassilakous Stadtentwicklungswunschzettel, so gibt es für jeden Punkt bereits aktuelle Beispiele in Wien. Ausbau des öffentlichen Verkehrs? U1-Verlängerung. Neue Stadtteile mit großzügigem Grünraum? Seestadt Aspern. Aufwertung öffentlicher Räume und Plätze? Neugestaltung Schwedenplatz. Architektonische Wahrzeichen? DC Tower und neue Wirtschaftsuniversität Wien. Verkehrsberuhigung? Mariahilferstraße. Nun möge man von den Beispielen halten, was man will. Jedoch zeigen sie deutlich, dass olympische Spiele in planungspolitischer Hinsicht nicht die conditio sine qua non sind, als die sie hier und anderswo gerne dargestellt werden. Interessanterweise ist in diesem Sammelsurium an Verschönerungsmaßnahmen auch keine Rede mehr von den eingangs heraufbeschworenen sozialpolitischen Zielen.
Let’s go neoliberal!
In diesem Licht erscheint eine Olympiabewerbung statt als Fortführung Wiener Stadtentwicklung plötzlich als plumpes Instrument der Legitimation einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Stadtpolitik. Olympia soll, so scheint es, als Motor einer Planung fungieren, in deren Zielsetzungen Sozialpolitik keinen Platz mehr hat. Vielmehr geht es um die Durchsetzung einer auf Profitmaximierung ausgerichteten Wachstumspolitik. Städte wie Barcelona oder London haben bereits gezeigt, wie olympische Spiele in den letzten zwanzig Jahren zu einem Instrument einer solchen unternehmerischen Politik geworden sind. Und sie haben die negativen Folgen einer solchen Politik verdeutlicht. Von umfassender Privatisierung und Überwachung des öffentlichen Raums, bis hin zum drastischen Anstieg von Wohnungsmieten und dem damit verbundenen Verdrängungsdruck armer Haushalte und Randgruppen reicht dabei das Spektrum umfassend belegter Beispiele.
Diese evidenten sozialen Problemlagen verschwinden allerdings in der Wiener Debatte hinter dem Nimbus globaler Sichtbarkeit aus dem Fokus der Diskussion und werden zu einer planerischen Mutprobe hochstilisiert. Nach dem Motto: „Olympia in Wien? Des traust di‘ nie!“