Im Jahr 2011 haben sich einige Personen zusammengetan und eine Bürger*inneninitiative gegründet, um gegen die Verbauung des Otto Wagner Areals (Steinhof) mobil zu machen. Es gelang ihnen die Stadtregierung unter Druck zu setzen. Diese startete daraufhin ein Mediationsverfahren. Inwiefern es für außerparlamentarische Kräfte ratsam erscheint sich an solchen Prozessen zu beteiligen, behandelt Gastautor Georg Sembera im folgenden Beitrag.
Einleitung
Im ersten Kapitel werden die historischen Hintergründe des Otto Wagner Areals behandelt, um welches die politischen Auseinandersetzungen, die in der folgenden Arbeit thematisiert werden, stattfanden und immer noch stattfinden. Anschließend wird die politische Auseinandersetzung um das Otto Wagner Spital und das dazugehörige Areal erörtert. Im dritten Kapitel wird mit Hilfe der Lektüre „Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument“ von Thomas Wagner und „Macht, Herrschaft, Emanzipation. Aspekte anarchistischer Staatskritik“ das Thema politische Mediationsverfahren behandelt. Verbunden wird dies mit Auszügen aus einem Interview, welches ich am 27. Juli 2015 mit Christine Muchsel und Wolfgang Veit (Aktivist*innen der BI „Steinhof gestalten“) geführt habe. Im letzten Kapitel wird abschließend die Frage gestellt unter welchen Bedingungen Mediationsverfahren geführt werden sollten und welche Vorgehensweisen idealtypisch bei der Umstrukturierung des Otto Wagner Areals gewählt werden könnten.
Historisches zum Otto Wagner Spital
Das Otto Wagner Spital wurde im Jahr 1907 eröffnet und befindet sich in Penzing, dem 14. Wiener Gemeindebezirk. Es bekam den Namen Heil- und Pflegeanstalten für Geistes- und Nervenkranke Am Steinhof. Es diente demnach als eine psychiatrische Einrichtung. Errichtet wurde es vom Land Niederösterrreich, da Wien damals noch kein eigenes Land war, sondern die Hauptstadt des Landes Niederösterreich. Das Spital war aber primär für die Wiener Bevölkerung errichtet worden. Erst 1922 wurde es von der Stadt Wien übernommen. Ein Jahr später kam die Lungenheilstätte Baumgartner Höhe hinzu, welche 1977 in Pulmologisches Zentrum umbenannt wurde.[1]
Im Nationalsozialismus wurden tausende Patient*innen der Baumgartner Höhe zwangssterilisiert und/oder mittels Massentransporten in Vernichtungslager gebracht. Im Faschismus wurden sie als lebensunwert betrachtet und sollten an einer Fortpflanzung gehindert werden, da sie in den Augen der Nazis nichts Produktives für die deutsche Volksgemeinschaft beitragen können und „Mangelhaftigkeit“ vererben würden.[2]
Zwischen den 1960er bis 1980er Jahren kam es zu Missbräuchen gegenüber Minderjährigen mit Behinderungen. Gegenwärtig gibt es eine Forschungsgruppe die eine Aufarbeitung der Ereignisse zusammen mit Zeitzeug*innen, Angehörigen und ehemaligen Mitarbeiter*innen durchführt, welche im Juni 2016 einen Endbericht ablegen soll.[3]
Im Jahr 2000 wurden das Psychiatrische Krankenhaus, die Pflegeheime, das Pulmologische Zentrum und das Neurologische Krankenhaus auf der Baumgartner Höhe zum Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartnerhöhe/Otto Wagner Spital mit Pflegezentrum vereint. Sieben Jahre später wurden die Pflegeheime wieder herausgelöst.[4]
Konflikt um das Otto Wagner Areal
Zu Beginn der 1980er war eine Bebauung nördlich der Spitalsanlage geplant. Diese wurde aber durch eine Volksbefragung im Dezember 1981 abgelehnt. Stattdessen wurde das Areal der Öffentlichkeit als Naherholungsgebiet zugänglich gemacht. Diese werden heute als Steinhofgründe bezeichnet. Durch die Erklärung zum „Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel“ wurde dieses Gebiet vor einer Verbauung ausgeschlossen. Der südliche Teil, das Otto Wagner Spital erhielt zur gleichen Zeit eine Baulandwidmung für öffentliche Zwecke
Über 20 Jahre danach erhielt das Areal eine neue Widmung. Das Naherholungsgebiet im Norden wurde um ein Drittel vergrößert. Die Verbauung zwischen den Pavillions des Otto Wagner Spitals sollte weiterhin nicht möglich sein. Im östlich gelegenen Wirtschaftsareal, für zwei ensembletrennenden Grünstreifen links und rechts der Hauptanlage sowie einer Parklandschaft im Südwesten ist eine 40%ige Verbauung ermöglicht worden. Dieses Gebiet muss nicht mehr für öffentliche Zwecke verwendet werden.[5]
Ab dem Jahr 2006 wurden Verträge mit der GESIBA (Gemeinnützige Siedlungs- und Bau Aktiengesellschaft), einer im Eigentum der Stadt Wien befindlichen Firma ausgehandelt. In der Südhälfte des Wirtschaftsareals war, in einer ersten Ausbaustufe, die Errichtung von 620 Wohnungen geplant, mehrere bestehende Pavillons sollten zu etwa 100 Wohnungen umgebaut werden. Im Weiteren wurde der VAMED AG, einem privaten Gesundheitsunternehmen, der Bau eines Rehabilitationszentrums im östlichen Teil des Areals zugesichert [6]
Der VAMED wird vorgeworfen, sie habe im Juni 2011 ohne Baugenehmigung mit Abbruch- und Aushubarbeiten begonnen. Im selben Jahr haben sich politisch engagierte Bürger*innen zusammengeschlossen und eine Plattform gegründet, deren Ziel es ist, das Otto Wagner Spital zu erhalten. Nach einem ersten Aufruhr in den Bezirksparlamenten Ottakrings und Penzings, kam es im September 2011 zu ersten Bürger*innenversammlungen und dem Start der Unterschriftensammlungen durch die BI „Steinhof erhalten“ gegen eine Verbauung des Otto Wagner Areals.[7] Die Stadtregierung reagierte auf diese Proteste und Bürgermeister Michael Häupl verkündete, dass alle Bauvorhaben gestoppt seien und die Zukunft des Areals offen sei.[8] Im Jahr 2012 wurde öffentlich bekannt, dass das Otto Wagner Spital innerhalb nur weniger Jahre aufgelöst wird und deren Abteilungen auf Krankenhäuser in ganz Wien aufgeteilt werden würde.[9]
Die Mitglieder der BI „Steinhof erhalten“ sind der Auffassung, dass die Umwidmungen im Sinne der Luxusimmobilien- Lobby getätigt wurden, welche durch die Umwidmungen des Gemeinderats mit großen Gewinnen in besagtem Areal rechnen kann. Die Umwidmung wurde durch alle Parteien des Gemeinderats, bis auf die Grünen beschlossen. Die BI „Steinhof erhalten“ wirft den Grünen aber vor, dass diese seitdem sie mit der SPÖ Wien die Stadtregierung stellen eine Kehrtwende gemacht hätten und sich nur mehr, um die mit dem zu erwartenden verstärkten Verkehr, der durch neue Bewohner*innen verursacht werden soll, auseinandersetzen wollen.[10]
Im Jahr 2012 wurde ein Mediationsverfahren zwischen der Bürger*inneninitiative und der Stadtregierung, sowie den Käufern und Verkäufern des Areals eingeleitet. Dieses endete im September desselben Jahres mit einem Abschlussdokument, in dem festgehalten wurde, dass es keinen Konsens bei der Bebauung des östlichen Teils des Otto Wagner Areals gebe. Es wurde anschließend eine Expert*innengruppe einberufen, deren Zusammensetzung von der Stadtregierung bestimmt wurde. Zwei Mitglieder der BI durften an den Besprechungen aktiv, doch ohne Stimmrecht, teilnehmen. Alle Initiativen Mitglieder wurden im Rahmen von Nachmediationssitzungen laufend von den Geschehnissen unterrichtet. Informationen an die Öffentlichkeit durften nicht weitergegeben werden.[11]
Seit Jänner 2013 gibt es in Wien ein Petitionsgesetz. Gelingt es mehr als 500 Personen (ab 16 Jahren und mit Wohnsitz in Wien) zu finden, welche die Petition unterschreiben, wird diese einem Petitionsausschuss zur weiteren Behandlung übermittelt. Eine Petition bzgl. des Otto Wagner Areals wurde von der SPÖ-Grünen Mehrheit in diesem Ausschuss abgelehnt. Es kam auch nicht zu einer Anhörung des Petitionsbetreibers, noch zu einer Stellungnahme, warum die Petition abgelehnt wurde. Es wurde sogar explizit eine Stellungnahme des Bürgermeisters durch den Petitionsausschuss abgelehnt.[12]
Am 6. November 2013 kam es zur Veröffentlichung der Bebauungspläne eines von der Stadt Wien beauftragten Architekt*innenteams. In diesem finden sich 11 neu zu errichtende Wohngebäude, mit 160 Wohneinheiten. Ob in den nicht mehr für den Spitalsbetrieb verwendeten Pavillons des Ostareals wie ursprünglich geplant Luxussuiten entstehen sollen, bleibt noch offen. Die Reduzierung der geplanten Wohnungen von über 600 auf 160 Wohneinheiten sieht die BI „Steinhof erhalten“ (zu diesem Zeitpunkt gab es bereits die BI „Steinhof erhalten und die BI „Steinhof gestalten“) nicht als Erfolg. Außerdem befürchtet sie, dass weitere Neubauten noch folgen könnten. Kritisiert wird unter anderem, dass diejenigen Bereiche in denen die 11 Wohngebäude entstehen sollen, laut einer öffentlich getätigten Aussage durch den Bürgermeister Häupl zwei Jahre zuvor noch als Flächen geplant waren, in denen auf keinen Fall Neubauten errichtet werden sollten.[13] Anders sieht dass die BI „Steinhof gestalten“, welche von einer Reduzierung der geplanten NeubauWohnungen, alleine im Wirtschaftsareal von weit über 1.000 auf 160 ausgeht und dies als großen Erfolg einstuft. Wobei als das politische Ziel der gänzliche Verzicht auf Neubauten bzw. Wohnbauten bezeichnet wird.
Die BI „Steinhof erhalten“ hat eine Studie in Auftrag gegeben, ob das Otto Wagner Spital am Steinhof den Kriterien der UNESCO als Welterbestätte entspreche. In der Studie wurde dies positiv bejaht. Für die Antragstellung als Welterbestätte müssen aber noch mehrere Gutachten eingeholt werden. Voraussetzung ist aber ein Antrag der Stadt Wien beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst. Bisher ist dieser aber nicht erfolgt. Noch im Jahr 2006 bevor die Grünen in der Stadtregierung waren haben sie selbst einen Antrag auf Welterbestatus für das Otto Wagner Areal eingereicht. Seit der Beteiligung an der Regierung mit der SPÖ haben sie, die sieben weiteren Anträge der FPÖ und ÖVP auf Welterbestatus für besagtes Gebiet abgelehnt. Immer mit der Begründung, sie würden die laufenden Verhandlungen stören.[14]
Kritisiert wird auch das Bundesdenkmalamt, welche Neubauten zulässt, die nicht mit dem Erscheinungsbild des Jugendstilbaus des Otto Wagner Spitals zusammenpassen. Außerdem habe das BDA ein „Wirtschaftsareal“ geschaffen, in welchem nicht derselbe Denkmalschutz, wie im übrigen Areal gilt. Dieser Bereich wird für den Bau neuer Wohnungen vorgesehen.[15]
Protestieren, diskutieren oder beides?
Im Jahr 2011 haben sich einige Personen zusammengetan und eine Bürger*inneninitiative gegründet, um gegen die Verbauung des Otto Wagner Areals mobil zu machen. Einige der beteiligten Personen haben sich auch schon vor 30 Jahren mit Erfolg gegen die Bebauung der Steinhofgründe (nördlich des Otto Wagner Areals) eingesetzt. Eine Homepage wurde durch die BI ins Leben gerufen,[16] es kam zu einer Protestveranstaltung mit rund 800 Teilnehmer*innen, es wurde begonnen Unterstützungserklärungen zu sammeln, sämtliche einflussreiche österreichische Tagesmedien, allen voran die Kronenzeitung, begannen sich für das Thema zu interessieren. All dies führte dazu, dass die Stadtregierung mit ihren Vorhaben öffentlich zurückruderte und einen Dialog mit den Gegnern der Verbauung des Otto Wagner Areals begann.[17]
Es wurde ein Mediationsverfahren mit Vertreter*innen der BI installiert. In einigen Punkten konnte eine Einigung erzielt werden. Anschließend an das Mediationsverfahren kam es zu einem Einsetzen einer Expert*innengruppe, die entscheiden sollte, ob im Ostareal des Otto Wagner Spitals gebaut werden darf. An diesem Punkt kam es zur Spaltung der BI. Die Mitglieder der BI waren unzufrieden, weil in den Mediationsgesprächen nicht entscheidungsbefugte Vertreter*innen der Stadtregierung saßen, sondern Beamte und Vertreter*innen der GESIBA. Die Mitglieder der Mediationsgruppe hatten sich auf eine Expert*innenrunde geeinigt. Von der zuständigen Planungsstadträtin wurden aber andere Menschen eingesetzt, als auf diejenigen, auf die sich in der Mediationsgruppe geeinigt wurde. Daraufhin sah Gerhard Hadinger, Aktivist der BI und Betreiber der Homepage http://steinhof-erhalten.at keinen Sinn mehr darin, sich an einem weiteren Dialog mit den Politiker*innen der Stadtregierung und Vertreter*innen der GESIBA zu beteiligen. Er betreibt weiterhin die Homepage und hat den Namen der BI „Steinhof erhalten“ behalten und hat sich in weiterer Folge mehr darauf spezialisiert, dass das Otto Wagner Areal einen Weltkulturerbe-Status erhält, um Verbauungen zu verhindern.[18] Gerhard Hadinger interpretiert die Mediationsrunden als ergebnislos. Während mit Mitgliedern der BI diskutiert wurde, sei gleichzeitig, ohne diese die Planung der Verbauung des Areals vorangeschritten. Es wurde der BI zugesichert, sie würde in den Mediationsrunden Antworten auf ihre Fragen erhalten. Einsicht in Unterlagen und Verträge wurden aber nicht gestattet.[19]
Die anderen Mitglieder der BI waren ebenfalls enttäuscht über den Verlauf der Mediations-und Expert*innenrunden, sehen es aber als ihre einzige Möglichkeit bei den Gesprächen mit den Vertreter*innen der Stadtregierung zu bleiben, um konstruktive Beiträge leisten zu können. Sie haben nach der Spaltung der BI, eine weitere Bürger*inneninitiative, mit dem Namen „Steinhof als Gemeingut erhalten“ und die Homepage http//steinhof-gestalten.at ins Leben gerufen. Trotz der getrennten Wege, wird die Arbeit Gerhard Hadingers von der BI „Steinhof als Gemeingut erhalten“ geschätzt. Die Strategien seien unterschiedliche, die Ziele die Gleichen.[20] Inwiefern dies umgekehrt auch zutrifft, habe ich nicht in Erfahrung gebracht.
Da wichtige gesellschaftliche Organisationen, wie Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen an Mobilisierugskraft verloren haben und es dennoch Bürger*innen gibt, die politische Beteiligung einfordern, benötigt es neue Formen, wie diese eingebunden werden können. Dafür wurden seit den 1970ern unter anderem Mediationsverfahren erprobt und eingeführt.[21] Das breite Bedürfnis nach mehr direkter Demokratie wird in eine Bahn gelenkt, die manches zu verändern erlaubt, die grundsätzliche Verteilung von Macht und Eigentum aber nicht in Frage stellt.[22] Damit die Verhältnisse in Krisenzeiten so bleiben können, wie sie sind, müssen Veränderungen her, die an den Machtstrukturen gerade so viel ändern, dass die Vorherrschaft des großen privaten Eigentums erhalten bleibt.[23] Auch einige Klein- und Mittelbetriebe treten für eine Installierung vermehrter direktdemokratischer Elemente ein, um in das politische Geschehen eingreifen zu können, statt zeit- und oder kostenintensive dauerhafte Lobbyarbeit zu betreiben, die sich viele gar nicht leisten könnten. Ebenfalls können diese Methoden auch zur weiteren Schwächung von Interessensvertretungen der Lohnabhängigen und von sozial Benachteiligten gegenüber den Interessensvertretungen aus Wirtschaft, Stiftungen und liberaler Think-Tanks eingesetzt werden. Indem statt den Vertreter*innen von Gewerkschaften und anderer Vereinigungen der Arbeiter*innen und Angestellten vermeintlich unabhängige Persönlichkeiten an Bedeutung gewinnen. Die neuen Bürger*innenbeteiligungsformen werden in erster Linie von Menschen mit hohem Bildungsgrad und gutem Einkommen genutzt.[24] Es ist auch schon vorgekommen, dass hinter Bürger*inneninitiativen Unternehmen stecken. So hatte z.B. eine dieser BI`s in Gilching nahe München versucht, mitten in einem Naturschutzgebiet ein Aldi Logistikzentrum durchzusetzen.[25]
Mediation wurde ursprünglich eingesetzt für zwischenmenschliche Auseinandersetzungen. Sie soll helfen bei Streitereien, die eskalierten zu vermitteln, oder Missverständnisse klären. Für diesen Bereich ist die Mediation eine wertvolle Methode. Ebenso ist sie denkbar für zwei oder mehrere Bürger*inneninitiativen oder anderen politischen Gruppierungen, die jeweils ähnliche Strukturen, Gruppengröße und gesellschaftlichen Einfluss haben, um gemeinsame Konflikte aufzulösen. In der politischen Mediation, wie sie heutzutage praktiziert wird, stehen sich aber ungleiche Gruppen gegenüber. Auf der einen Seite häufig politisch engagierte Bürger*innen, die meist unentgeltlich, ohne große Ressourcen nur geringe Durchsetzungsmöglichkeiten besitzen, auf der anderen Seite gewählte Politiker*innen, die den ganzen Apparat des Staates, oder einer regionalen, oder lokalen Behörde hinter sich haben. Es ist auch falsch anzunehmen zwischenmenschliche Auseinandersetzungen würden wie politische Konflikte funktionieren.[26] Es besteht bei letzterem viel häufiger ein struktureller Interessensgegensatz, z.B. zwischen einem Unternehmen das eine Fabrik errichten will und der ansässigen Bevölkerung, die dies als Verminderung ihrer Lebensqualität ansehen würde und verhindern will.
Ein Beispiel für die Anwendung und den Umgang mit politischen Mediationsgesprächen bietet das Vorgehen beim Ausbau des Frankfurter Flughafens. Ende der 1990er wurden Forderungen für eine weitere Start- und Landebahn von der Lufthansa und der Flughafenaktiengesellschaft des Flughafens Frankfurt am Main laut.[27] Im Jahr 1998 schlossen sich 14 Bürger*inneninitiativen zusammen, um wirkungsvoller gegen einen Ausbau des Flughafens eintreten zu können. Das Bündnis reichte von gemäßigten Umweltschützer*innen bis hin zu Gruppen der radikalen Linken.[28] Dieses politische Bündnis führte bei den Befürwortern des Flughafenausbaus zur Befürchtung es könnte zu ähnlichen Konflikten, wie 20 Jahre zuvor kommen, als es zu einer breiten Bewegung gegen den damaligen Ausbau des Flughafens kam. Die Flughafenaktiengesellschaft (FAG) setzte vor allem auf das Argument, der Ausbau würde eine enorme Arbeitsplatzbeschaffung bedeuten. Die hessische Landesregierung, die ebenfalls für einen Ausbau des Flughafens eintrat, bot Gespräche und Mediationen an, um offene Konflikte zu vermeiden.[29] Dabei wurden die Expansionsinteressen der Flughafenaktiengesellschaft als primäre Ziele, ökologische Bedingungen als sekundär eingestuft, wogegen die Bürger*inneninitiativen die Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen hinsichtlich ihrer Gesundheit ins Zentrum rückten.[30] Das Mediationsverfahren zeigte seine demokratiepolitischen Schwächen darin, dass es nicht öffentlich tagte und Informationen aus den Gesprächen nur durch die Mediationsleitung nach außen getragen werden sollten. Die BI`s interpretierten die Gespräche schon nach kurzer Zeit als Strategie der Landesregierung den Protest von der Straße weg zu bekommen. Im Weiteren sahen sie sich damit konfrontiert, dass nicht darüber diskutiert wurde ob der Flughafen ausgebaut werden sollte, sondern nur wie dies geschehen sollte. Deshalb kehrten alle bis auf eine Bürger*inneninitiative den Mediationsgesprächen den Rücken.[31]
Ein solches Vorgehen von Seiten der Politiker*innen stellt den Versuch dar, Konfrontationen im Vorhinein zu vermeiden und das Widerstandspotenzial von betroffenen Menschen staatlich einzubinden. Mediationsverfahren sollen eine höhere An- und Einbindung an den Staat mit sich bringen.[32] Durch die Mediationsrunde soll zwischen den Beteiligten ein „Wir Gefühl“ entstehen, die andere Seite soll nicht mehr als Gegner, sondern zum „Gegenüber“ werden, die eigene Position soll aufgeweicht und ein produktives Endergebnis erreicht werden. Das Mediationsverfahren greift damit direkt in das Konfliktverhalten widerstandsbereiter Menschen ein, indem es Einfluß [sic!] nimmt auf die Sicht der Dinge, auf die Ebene der Wahrnehmung ebenso wie auf die Verarbeitung von Information und Erfahrung.[33] Die gesellschaftlichen Machtbedingungen werden in der speziellen Atmosphäre der Mediationsrunden nicht offen gelegt, sondern verschleiert und stehen somit einer Auflösung von Herrschaftsbeziehungen eher im Wege.[34]
Schluss
Wenn ein Mediationsverfahren nur dazu dient protestierenden Bürger*innen das Gefühl zu geben mitentscheiden zu können und nach außen hin Legitimität für umstrittene (Groß)Projekte zu schaffen, da auf diese Weise argumentiert werden kann, die Menschen in den Prozess miteingebunden zu haben, die Anliegen der im Mediationsverfahren vertretenen Initiativen aber nicht von den politisch Verantwortlichen in ihren Entscheidungen berücksichtigt werden, dann sollten sich protestierende Bürger*innen nicht auf ein Mediationsverfahren einlassen.
Es stellt sich nun die Frage, ob es Bedingungen gibt unter denen eine Beteiligung an Mediationsverfahren sinnvoll sein kann.
Ein Problem ist, dass es im Vorhinein oft schwierig zu sagen ist, inwiefern die Initiatoren des Mediationsprozesses bereit sind eine Bürger*innenbeteiligung, in der die Bürger*innen tatsächlich die Entscheidungen treffen, zuzulassen. Eine Beteiligung von Bürger*inneninitiatven oder anderen außerparlamentarischen Gruppen, kann selbst bei Abbruch der Gespräche für diese den Vorteil bringen, das nach außen hin gezeigt werden kann, das eine Dialogbereitschaft prinzipiell vorhanden ist. Bedingungen für eine Beteiligung an Mediationsgesprächen könnten fixe Zusagen seitens der Politiker*innen sein, wie z.B. eine Abstimmung über die Thematiken, über die es keine Einigkeit gibt, für alle die von diesen Thematiken betroffen sind. Im Fall des Otto Wagner Spitals, könnte dies z.B. eine Abstimmung aller in Ottakring und Penzing lebenden Menschen sein, da diese, die Wohl häufigsten Besucher*innen des Areals sind.
Christine Muchsel und Wolfgang Veit, von der BI „Steinhof als Gemeingut erhalten“ sind der Ansicht, es müsse erst ein Gesamtkonzept mit allen Beteiligten erarbeitet werden, anschließend könnten Details geplant und mit den Bauarbeiten begonnen werden. Anstatt zuerst Teile des Areals zu verbauen, ohne ein Gesamtkonzept zu erarbeiten.
Zu den Beteiligten zählen die Ärzte und Ärztinnen, Besucher*innen und zukünftige Nutzer*innen. Es müsste eruiert werden, wer in dem Areal bleiben will, wer weg will und wer neu hinzukommen soll. Als Organisationsstruktur wird eine Stiftung angedacht, die transparent und nicht hinter verschlossenen Türen arbeitet. An neuen Nutzer*innen waren unter anderem ein Universitätscampus, Alten- und Behindertenbetreunngseinrichtungen, Lehrlings- und Krankenpfleger*innenausbildungsstätten angedacht.[35]
Ein demokratischer Prozess, der diesen Namen verdient, müsste zuerst die Bedürfnisse aller Beteiligten eruieren und nicht eine Bürger*innenbeteiligung starten, wenn der Planungsprozess schon weitestgehend abgeschlossen ist und es nur mehr Detailfragen zur Umsetzung zu klären gibt.
Dieser Beitrag wurde von Georg Sembera im Rahmen der Ringvorlesung Recht auf Stadt an der Universität Wien im Sommersemester 2015 verfasst.
[1] vgl., Gabriel, 100 Jahre Gesundheitsstandort Baumgartner Höhe, 11-12
[2] vgl., Mende, Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ in der Zeit des NS-Regimes in Österreich (pdf-Datei), 2-3, online unter http://goo.gl/jkXstP,d.bGg, (24.7.2015)
[3] vgl., Wiener Krankenanstaltenverbund, Historisches Forschungsprojekt zum Pavillon 15 des Otto-Wagner-Spitals startet, Udo Janßen (Generaldirektor des Wiener Krankenanstaltenverbund), http://www.wienkav.at/kav/ZeigeText.asp?id=48402, (24.7.2015)
[4] vgl., Gabriel, 100 Jahre Gesundheitsstandort Baumgartner Höhe, 12-13
[5] vgl., Stadtentwicklung Wien, Geschichte der Flächenwidmung für das Otto-Wagner-Areal, http://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/projekte/otto-wagner-areal/geschichte-flaechenwidmung.html, (24.7.2015)
[6] vgl., Initiative Steinhof, Stopp! Kein Ausverkauf von Steinhof!, Flugblatt 24. September 2011, pdf-Datei, http://steinhof-erhalten.at/Informationen/flyer_24-9-11.pdf, (24.7.2015)
[7] vgl., Das Otto-Wagner-Spital wird zerstört, wenn wir es nicht verhindern!, Flugblatt 19. November 2011, online unter http://steinhof-erhalten.at/Informationen/flyer_19-11-11.pdf, (24.7.2015)
[8] vgl., Initiative Steinhof;, Der „große Wurf“ der Wiener Stadtregierung!, Steinhof aktuell Juli 2012, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_juli_2012.pdf, (24.7.2015)
[9] vgl., Elias Natmessnig, Auszug aus dem Paradies, Kurier (online), Helmut Brandstätter (Hg. und Chefredakteur des Kuriers), Letztes Update am 10.02.2014, http://kurier.at/chronik/wien/otto-wagner-spital-der-auszug-aus-dem-paradies/50.566.032, (24.7.2015)
[10] vgl., Initiative Steinhof, Stopp! Kein Ausverkauf von Steinhof!, Flugblatt 24. September 2011, pdf-Datei, http://steinhof-erhalten.at/Informationen/flyer_24-9-11.pdf, (24.7.2015)
[11] vgl., Initiative Steinhof, Was läuft zwischen dem Bundesdenkmalamt und der Stadtregierung (KAV)?, Steinhof aktuell Februar 2013, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_februar_2013.pdf, (24.7.2015)
[12] vgl., Initiative Steinhof, Die Architekten haben ihre Bebauungs- pläne für das OWS-Ostareal vorgestellt. Was hätten sie sonst machen sollen?, Steinhof aktuell November 2013, 4, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_november_2013.pdf, (24.7.2015)
[13] vgl., Initiative Steinhof, Die Architekten haben ihre Bebauungs- pläne für das OWS-Ostareal vorgestellt. Was hätten sie sonst machen sollen?, Steinhof aktuell November 2013,1-2, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_november_2013.pdf, (24.7.2015)
[14] vgl., Initiative Steinhof, Was gilt das gesprochene Wort des Bürger- meisters?, Stienhof aktuell Juli 2013, 3, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_juli_2013.pdf, (24.7.2015)
[15] vgl., Initiative Steinhof;, Der „große Wurf“ der Wiener Stadtregierung!, Steinhof aktuell Juli 2012, 3-4, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_juli_2012.pdf, (24.7.2015)
[16] vgl., Veit (2015), Interview
[17] vgl., Initiative Steinhof;, Der „große Wurf“ der Wiener Stadtregierung!, Steinhof aktuell Juli 2012, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_juli_2012.pdf, (24.7.2015)
[18] vgl., Veit (2015), Interview
[19] vgl., Initiative Steinhof;, Der „große Wurf“ der Wiener Stadtregierung!, Steinhof aktuell Juli 2012, 1-2, online unter http://steinhof-erhalten.at/Aussendungen/steinhof-aktuell_juli_2012.pdf, (24.7.2015)
[20] vgl., Veit/Muchsel (2015), Interview
[21] vgl., Wagner, Die Mitmachfalle, 14-15
[22] Wagner, Die Mitmachfalle, 18
[23] Wagner, Die Mitmachfalle, 79
[24] vgl., Wagner, Die Mitmachfalle, 16-17
[25] vgl., Wagner, Die Mitmachfalle, 30
[26] vgl., Wagner, Die Mitmachfalle, 55
[27] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 99-100
[28] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 105
[29] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 110-111
[30] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 113
[31] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 114
[32] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 118
[33] Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 120
[34] vgl., Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation, 121
[35] vgl., Veit/Muchsel (2015), Interview
Literaturverzeichnis
Thomas Wagner, Die Mitmachfalle. Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument, (Köln 2013)
Michael Wilk, Macht. Herrschaft. Emanzipation. Aspekte anarchistischer Staatskritik, (Grafenau 1999)
Eberhard Gabriel, 100 Jahre Gesundheitsstandort Baumgartner Höhe, (Wien 2007)
Online-Literaturverzeichnis
Susanne Mende, Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ in der Zeit des NS-Regimes in Österreich (pdf- Datei)
http://www.wienkav.at/kav/
http://kurier.at/
http://wien.gv.at
http://aktion21.at
http://steinhof-erhalten.at
http//steinhof-gestalten.at
walter-schlager@aon.at sagt:
STEINHOF DARF NICHT VERBAUT WERDEN