Der Verband der institutionellen Immobilieninvestoren und die “faktenbasierte” Wohnungspolitik

Der Verband der institutionellen Immobilieninvestoren (VII) lässt diese Woche mit einer Presseinformation aufhorchen. Er fordert eine “faktenbasierte Wohnpolitik”. Skurril mutet dabei an, dass die in den Unterlagen präsentierten Fakten fehlerhaft und unvollständig sind.

Der VII sieht etwa hinter Statistiken zur Mietsteigerung einen “Mythos”. “Statistiken die aufzeigen, dass Mieten regelmäßig steigen, sind mit Vorsicht zu betrachten. Denn es handelt sich dabei ausschließlich um neu abgeschlossene Mietverträge.” Fakt ist, dass die Bestandsmieten, inklusive Neu- und Altverträgen, in Wien seit Jahren rasant steigen. Die Bruttomieten (Hauptmietzins + Betriebskosten + 10% USt.) sind über alle Wohnungsmarktsegmente zwischen 2008 und 2014 um 24% gestiegen. Die Inflation ist im gleichen Zeitraum lediglich um 12% gestiegen. Noch relevanter: Den stärksten Anstieg verzeichnet da der private Mietwohnungssektor, also der Bereich, in dem die Mitglieder des VII als Vermieter aktiv sind. Während die Mieten im gemeinnützigen Sektor um 16% gestiegen sind und in Gemeindewohnungen um 17%, sind sie im privaten Mietwohnungssektor um 34% gestiegen.

Getrieben werden die Mieten vor allem durch neu abgeschlossene Verträge. Da hat der VII Recht. Das ist aber kein gültiges Argument dafür, dass die Mieten in Wirklichkeit garnicht steigen und die Statistiken “ein Mythos” seien. Vielmehr deutet es auf einen zentralen Mechanismus hin, wie die Immobilienindustrie die Mieten in der Stadt in die Höhe treibt. Denn immer mehr Wohnungen im privaten Mietwohnungssektor werden befristet und damit regelmäßg neu vermietet. Waren es 2008 noch 9% der Bestandsverträge, waren es 2014 bereits 14%. Unter den Neuverträgen ist der Befristungsgrad heute bei Zwei-Drittel. Den Abschluss neuer Verträge nutzen die Vermieter zur regelmäßigen Erhöhung der Miete. Damit kommt es zu einem sogenannten Wiedervermietungseffekt auf die Mietpreise und den eklatant höheren Preisen in neuen Mietverträgen. Grosso modo steigen damit die Mieten.

Der VII führt das nicht zuletzt auf Qualitätsverbesserungen der Wohnungen zurück. “Die laufende Wohnstandard-Verbesserung muss bei der Beurteilung der Entwicklung von Wohnkosten berücksichtigt und als Folge gestiegener Qualitätsansprüche verstanden werden, die sich auch in höheren Kosten zeigen muss.” Bei allen Qualitätsverbesserungen werden dabei andere Methoden verschwiegen, wie regelmäßig Mieten auch ohne Investition in die Wohnung erhöht werden. Die Anpassung des Lagezuschlags etwa folgt keiner Qualitätsverbesserung einzelner Wohnungen, sondern preist die Lagegunst der Wohnumgebung ein. Nicht zuletzt wird die in einer wachsenden Stadt wie Wien vielerorts durch die öffentlichen (!) Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur wie die U-Bahn verbessert. Die Möglichkeit über den Lagezuschlag Mieten zu erhöhen sollte nicht unterschätzt werden. In allen Lagekategorien sind die Zuschläge seit der letzten Erhöhung 2014 um mehr als 30% gestiegen. Im 1. Bezirk kann man heute €10,93 pro m² extra für die Miete verlangen nur für die Lage. In den umliegenden Bezirken immer noch rund €4 mehr.

Ein zweites Argument des VII warum die Mieten steigen, sind die Betriebskostensteigerungen: “Ebenso berücksichtigt muss die nicht enden wollende Gebührenlawine der Stadt Wien werden.” Fakt ist, dass die Betriebskosten eine untergeordnete Rolle bei den Mietsteigerungen spielen. Im Durchschnitt sind die Betriebskosten zwischen 2008 und 2014 über alle Segmente um 12% gestiegen. Das entspricht der allgemeinen Preissteigerung. Der Nettohauptmietzins (inkl. USt., exklusive Betriebskosten) ist währenddessen um 30% gestiegen. Im privaten Mietwohnungsmarkt waren die Steigerungen mit Abstand am Stärksten. Ganze 43%. Die Betriebskosten sind also als primärer Preistreiber auszuschließen. Es sind vielmehr die von den privaten Vermietern verlangten höheren Nettohauptmietzinse, die die Mieten steigen lassen.

Nicht vergessen werden darf bei der Presseinformation des VII, dass es sich dabei um einen Interessensverband für Immobilieneinvestoren handelt. Auch vor diesem Hintergrund sind wohl die in der Presseinformation gelisteten Forderungen nach  einer Anhebung von Altmieten, “Adaptierungen bei den Eintrittsberechtigungen” und anderen Einschränkungen im MRG zu Lasten der MieterInnen zu interpretieren. Die Versorgung von sozial Schwachen mit angemessenem Wohnraum scheint für den Verband nicht das primäre Ziel. Das Mission Statement auf der Website des Verbands unterstreicht das: “Der VII sieht sich als Unterstützer des Eigentums, setzt sich für die Erzielung notwendiger Renditen ein und für eine Modernisierung des Mietrechtsgesetzes.”

Es ist außerdem wohl auch kein Zufall, dass sich der VII genau jetzt, im Rahmen der Koalititionsverhandlungen zu Wort meldet. Es geht anscheinend darum, im Moment der politischen Weichenstellungen öffentlichkeitswirksam für die Interessen der Immobilieneigentümer zu intervenieren. “[D]ie aktive Teilnahme am politischen Diskurs” listet der Verband auf seiner Website auch als eine seiner Aufgaben. Der Aufruf nach einer faktenbasierten Wohnungspolitik ist zu begrüßen. Grundvoraussetzung wäre mit vollständigen und richtigen Fakten zu argumentieren.

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