Replik auf DerStandard Kommentar “Böse Zinshaie gegen fiesen Mietadel?” von 5. August 2018
Justin Kadi
Es fehlt an preiswertem Wohnraum. Insbesondere in Wien. Karin Hiltgartner widmet sich dem Thema in einem DerStandard Kommentar. Sie betont zu Recht die Rolle des Mietrechts zur Sicherstellung preiswerten Wohnraums. Vor allem für Wien ist das relevant mit seinen rund 300.000 privaten Mietwohnungen, Zwei-Drittel davon im Vollanwendungsbereich. Hiltgartner hat außerdem Recht, die Rolle des Mietrechts in der Diskussion zu Hausabrissen zu betonen. Eigentümer in Wien hatten zuletzt ja verstärkt den Hausabriss im Gründerzeitbestand als ein Instrument zur Renditemaximierung entdeckt. Das hat den Bestand an preiswertem Wohnraum in der Stadt verringert. Wesentlich vorangetrieben wurde das allerdings erst, wie Hiltgartner richtig aufzeigt, durch rechtliche Anreize im Mietrecht (im Übrigen in Kombination mit der nicht erwähnten Wiener Bauordnung). Nicht nachvollziehbar ist Hiltgartners Schlussfolgerung. Sie empfiehlt die Vermietung im Vollanwendungsbereich attraktiver für Eigentümer zu gestalten. Wie so eine Reform zugunsten von Eigentümerinteressen einen Beitrag zum von ihr formulierten Ziel leisten soll, preiswerte Wohnungen zu schaffen, bleibt unklar.
Wiener Gründerzeithäuser als lukrative Investition
Mit Wiener Gründerzeithäusern ließ sich in den letzten Jahren gutes Geld verdienen. Nicht anders ist zu erklären, dass so umfassend in den Sektor investiert wurde. Allein seit 2009 sind laut der Immobilienfirma OTTO Gründerzeithäuser im Wert von mehr als 9 Milliarden Euro verkauft worden – in Erwartung mit der Immobilie im Anschluss ein gutes Geschäft zu machen. In vielen Fällen sind die neuen Eigentümer gewerbliche Immobilienentwickler. Zwecks ihres Auftrags – mit Immobilien Rendite zu maximieren – suchen sie nach gesetzlichen Schlupflöchern um Gründerzeithäuser möglichst gewinnbringend zu “entwickeln”. Abriss und Neubau ist dabei eine der Methoden, die zuletzt verstärkt eingesetzt wurde. Parifizierung und Umwandlung in Eigentumswohnungen eine andere. Die Kurzzeitvermietung über Plattformen wie Airbnb eine dritte. Der Hausabriss ist damit, unter den bis vor kurzem geltenden laschen rechtlichen Regeln, Teil der zunehmend professionalisierten Immobilienverwertung in der Stadt geworden. Glaubt man Brancheninsidern ist die Investition in Wien mittlerweile ein gutes Geschäft. So sagt CBRE-Chef Andreas Ridder vor kurzem gegenüber dem DerStandard: “War 2003 Wien noch die teuerste Stadt mit der niedrigsten Rendite in Europa, ist sie heute die billigste mit der höchsten Rendite.” Investitionen scheinen sich für Eigentümer also durchaus auszuzahlen. Durch die Finger schauen die Mieter, die die Gewinne der Eigentümer über höhere Mieten schlussendlich zahlen.
Deregulierung schafft keine preiswerte Wohnung
Als Antwort auf die Abrisswelle und andere Methoden um preiswerte Wohnungen zu verteuern nun die Möglichkeit zu schaffen, im Vollanwendungsbereich des Mietrechts höhere Mieten zu verlangen, erscheint kontraproduktiv. Das würde lediglich die Einlösung hoher Renditeerwartungen für die neuen Eigentümer erleichtern und ihr Geschäft befördern. Preiswerten Wohnraum würde es keinen schaffen. Ganz im Gegenteil, der Bestand an preiswerten Wohnungen in der Stadt würde weiter sinken. Zwar möglicherweise weniger durch Umgehungsstrategien wie den Abriss, die Parifizierung oder die Kurzzeitvermietung, aber dann eben durch vereinfachte Mieterhöhungen im Vollanwendungsbereich. Die neuen Eigentümer hätten es am Ende des Tages sogar leichter, ihre Geschäftsmodelle zu realisieren. Wesentlich zielführender erscheinen da die Schritte, die von der Stadt Wien bereits unternommen werden, um vorhandene Verwertungslücken zu schließen und damit den Verlust preiswerter Wohnungen einzudämmen. Die Verschärfung der Bauordnung zur strikteren Kontrolle von Abrissen, etwa, erschwert, dass Eigentümer preiswerte Wohnungen abreißen und durch teure Neubauwohnungen ersetzen. Die angekündigten strikteren Regeln für die Kurzzeitvermietung sollen die Umwandlung preiswerter Wohnungen in dauerhafte Touristenunterkünfte erschweren.