Wir wollen uns nicht im Kämmerchen verstecken

Der folgende Text ist in St.u.P.i.D. 3/2012, der Zeitung der Studienvertretung Raumplanung an der TU Wien erschienen.

Seit Juli gibt es einen neuen Blog zu kritischer Stadtforschung und/oder Wien: urbaniZm.net . Dies ist der Versuch eines Selbstgesprächs zwischen Justin Kadi, Roman Seidl und Johannes Suitner über Ideen, Motive und Ziele des Mediums.

Roman: Meine erste Frage wäre: Wann sind wir das erste Mal auf die Idee gekommen einen Blog zu machen?

Johannes: Ihr habt im Frühjahr mal darüber geredet, dass es diese Idee gibt.

Justin: Es hat relativ lange gedauert, um das in die Gänge zu bekommen. Die Idee war lange da, aber es war unklar, was das genau sein soll und was wir wollen.

Roman: Jetzt ist alles klar?

Justin: (lacht)

Johannes: Warum ein Blog als Medium? Warum schicken wir nicht einfach Emails?

Roman: Ich kann das nur für mich beantworten. Ich mag Blogs für solche Zwecke, weil sie auch eine Öffentlichkeit haben. Wir können zeigen, wie gescheit wir sind, dass wir gute Dinge finden, die auch andere interessieren. Auch mag ich andere Dinge wie Facebook nicht so – ich bin für offene und transparente Medien.

Justin: Das Gute ist einerseits der Aspekt der Öffentlichkeit, andererseits hat der Blog auch eine Archivierungsfunktion. Man kann leicht nachschauen, was vor kurzem passiert ist. Es ist weniger aufdringlich als ständig Emails zu schicken.

Roman: Man kann dem Blog auch über Twitter oder Facebook folgen. Bei Facebook bekommt man das auf die Wall. Bei Twitter kann man jemandem folgen und dann bekommt man die Neuigkeiten. Das ist ein sehr einfaches System. Wenn ich Follower von Barbara Karlich bin, bekomme ich, was Barbara Karlich postet.

Johannes: „Mein neuer Activia Werbespot ist fertig!“

Roman: Genau.

Justin: Eine Anschlussfrage zum Sinn des Blogs: Es gibt hunderttausend Blogs. Was ist neu an urbaniZm?

Roman: Wir haben uns das natürlich auch gefragt und eine Lücke gesucht. Stadtforschungsblogs gibt’s ja viele. Kritische Stadtforschungsblogs gibt’s immer noch relativ viele – vor allem auf Englisch. Zu Wien gibt es halt nichts – wie es halt oft zu Wien nichts gibt.

Johannes: Das spiegelt ja ein wenig die Grundintention wider. Das eine ist das thematische, also kritische Stadtforschung in Wien, das andere ist, dass der Blog eine Plattform für gewisse Leute sein soll, die das interessiert.

Roman: Ja, eben auch um mitzutun! Das ist ein wenig gelungen, aber noch nicht sehr viel. Ich will, dass auch Leute von der Uni Wien dabei sind, dass auch Leute aus dem aktivistischen Spektrum – was auch immer das ist – dabei sind und dass auch Leute wie die Herausgeber von derivé dabei sind.

Justin: Also einerseits eine thematische Ausrichtung auf Wien und kritische Stadtforschung und andererseits die Plattform zur Vernetzung von kritischen StadtforscherInnen.

Roman: Ich merke, wie es auf mich wirkt. Ich habe das Gefühl, man lebt in einer konstruierten Welt. Dadurch, dass ich auf urbaniZm lese und schreibe, habe ich plötzlich das Gefühl, es gibt ja doch irgendwelche Dinge in Wien – es gibt ja doch Diskurse! Vielleicht konstruieren wir da jetzt eine kritische Stadtforschungs-Paralellgesellschaft. Und das ist auch gar nicht schlecht, weil dann schafft man es ein wenig mehr über solche Dinge nachzudenken und durchbricht das Gefühl, es gäbe eh niemanden woanders.

Justin: Ich habe ein ähnliches Gefühl, wenn ich den Blog lese. Wenn man auf Facebook schaut, wie viele Leute die Beiträge ansehen, dann freue ich mich, dass es noch andere gibt, die das interessiert. Ich bin nicht der einzige! Das hilft meiner Selbstmotivation.

Roman: Wir werden eine Sekte! Irgendwann laufen wir mit so QR-Code-Tattoos durch die Gegend.

Johannes: Wir haben schon ein wenig darüber gesprochen, was den Blog speziell macht, aber nicht darüber, was er beinhaltet. Das sind ja mehr als nur Beiträge.

Justin: Das Ganze ist am Wachsen. Es gibt immer neue Kategorien von Dingen, die dort angeboten werden. Im Moment sind dort unter dem Dach kritische Stadtforschung in Wien Veranstaltungsankündigen, Kurzbeiträge zu neuen Zeitungsartikeln, Hinweise auf Radio- und TV-Sendungen und manchmal auch weiterrecherchierte Geschichten.

Roman: Diese eigenen Geschichten sind tatsächlich die, die am meisten Aufmerksamkeit bringen. Die Statistiken sagen, dass der bisher beliebteste Beitrag einer von Justin über den Wiener Wohnungsmarkt ist, den zweiten Platz hat die Magna Oberwaltersdorf-Sache von mir. Wahrscheinlich, weil die Leute Wohnen am Golfplatz toll finden und Magna, Oberwaltersdorf und Frank Stronach gerade recht viel Öffentlichkeit haben. Am dritten Platz ist ein Beitrag von Johannes zu den Enzis. Die Beiträge bekommen ein wenig mehr Aufmerksamkeit, weil da andere auf uns verweisen, weil wir gut gefunden werden und es wohl gute Themen sind. Das ist aber jedes Mal viel Arbeit.

Johannes: Soweit ich mich erinnern kann, war es ja eine der Hauptintentionen von Euch, für den Blog Veranstaltungen zu Wien und Stadtforschung zu sammeln?

Roman: Ja da war ein Vortrag, den wir fast verpasst hätten im Juni – wer war das nochmal?

Justin: Loïc Wacquant! Der hat zum Blog beigetragen. Der war in Wien und wir hätten es beinahe verpasst, weil er auf der Uni Wien zu Gast war.

Johannes: Das heißt, man muss das irgendwo sammeln, damit wir diese Typen, die dann doch in Wien sind, nicht verpassen! Mein Gefühl ist ja, dass diese Leute nie nach Wien kommen – und dann merkt man, in Wahrheit sind sie nur auf der Uni Wien. Aber das ist schon zu weit weg.
Heute Früh habe ich den Fernseher aufgedreht und dann wurde dort das zweite Buch von Richard Sennett vorgestellt – auf Café Puls, wo normal nur die Urlaubsbelletristik vorkommt. Zwei Bücher: Donna Leon und noch so etwas und dann plötzlich Richard Sennett! Und dabei erzählt die Moderatorin, dass der unlängst in Wien war und ich wusste das auch nicht!

Justin: Was für mich auch noch ein Motiv für den Blog war, ist das Gefühl, dass die TU in einer Blase ist und das, was hier an Stadtforschung passiert, relativ schlecht nach Außen verbunden ist. Da fehlt einerseits die Verbindung zu anderen Leuten, die sich im wissenschaftlichen Bereich mit Stadt beschäftigen und andererseits die Verbindung mit der Welt da draußen – was auch immer das ist – also Medien und Öffentlichkeit. Wir befassen uns hier mit sehr relevanten sozialen und politischen Themen, die dann aber nach außen relativ wenig kommuniziert werden.

Johannes: Apropos politisch – ich habe mich unlängst gefragt, ob der Blog eine Aktion der neu formierten PräDoc-Gruppe am Department ist.

Roman: Es ist sicher ein wenig ein Prädoc-Ding von dem her, als es darum geht, sich einen Platz zu suchen und sich zu vernetzen. Jemand, der sich etabliert hat, macht das nicht mehr so aktiv. Die Frage ist allerdings auch, was „etabliert“ bedeutet. Auf den Universitäten heißt das leider sehr oft, dass man sich vor allem innerhalb der Organisation etabliert hat, aber nicht, dass man nach außen tritt. Das sind unterschiedliche Konzepte.

Justin: Ich hab auch das Gefühl, dass es etwas ist, das von der neuen Generation am Department ausgeht, die etwas anders ist – in der wissenschaftlichen Positionierung, im Umgang mit Medien und der Kommunikation.

Johannes: Für mich ist es eine Sache, die aus der Energie der Vernetzung der Prädocs und dem Wunsch eigene Themen zu platzieren entstanden ist. Aber es ist nicht so sehr ein Prädoc-Ding. Das ist kein Protest. Es geht vielmehr um Vernetzung und thematische Positionierung. Es geht weniger um Hierarchien in der Institution, als darum sich nach außen in Themen zu etablieren.

Roman: Das muss sein! Das Feudalsystem bricht zusammen, weil der König nichts mehr in der Hand hat. Es gibt ja nichts mehr zu verteilen. Damit ist es nicht mehr so wichtig sich nach innen zu orientieren. Das ist natürlich überzeichnet, aber man kann sich hier nicht mehr nach oben dienen, weil es kein oben gibt.

Justin: Dann muss man sich die Welt unten schön machen.

Johannes: Oder man muss sich nach außen orientieren! Wenn es kein oben gibt, dann muss man die Fühler ausstrecken – das geht mir auch ein wenig ab. Das ist ja die klassische Elfenbeinturm-Kritik. Deshalb ist uns Vernetzung mit anderen wichtig. Wir wollen uns nicht im Kämmerchen verstecken, sondern darüber reden, was passiert und was wir gut und schlecht finden, was uns interessiert und was gerade spannend wäre, um es zu beforschen!

Justin: Ich hätte eine Abschlussfrage: Drei Wörter, die jedem einfallen zum urbaniZm-Blog?

Roman: Geht es um die Schlagwort-Wolke der am häufigsten verwendeten Schlagwörter rechts oben auf dem Blog, dann sind das im Moment: Housing, Gentrification und Wien. Wenn es aber um das Ziel geht, das ich haben will, dann sind es: Vernetzung, Öffentlichkeit und Diskurs. Ich will eher das erreichen. Da kann dann thematisch auch etwas ganz anderes rechts oben stehen.

Johannes: Ich sehe das sehr ähnlich. Ich denke, dass es Wesen des Blogs ist Öffentlichkeit zu erreichen. wir wollen kommunizieren, dass es Dinge gibt, die nicht diskutiert werden, die aber spannend wären. Ich denke, die drei Dinge die du genannt hast, bringen es auf den Punkt. Es fehlt dieser Stadtforschungs-Diskurs in Wien – vor allem eben der kritische Blick darauf, was sich tut in der Stadt. Welche Themen da stehen, das würde ich nicht als zentral sehen – das ist ein Zeichen der Zeit. Das ist aktuell natürlich der Wohnungsmarkt. Aber in ein paar Monaten geht es vielleicht schon um andere Dinge. Das ist nicht so im Vordergrund.

Justin: Der Blog ist für mich auch ein Versuch der Abgrenzung dazu, wie mit dem Thema Stadt auf der TU umgegangen wird. Was mir fehlt ist: Politik, Kritik und Austausch. Bezüglich thematischer Ausrichtung wird es interessant sein, in welche Richtung sich der Blog in Zukunft weiterentwickelt.

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